Schweinefreilandhaltung
im Rahmen der Landschaftspflege

 

Der Erhalt und die Förderung dynamischer Prozesse als Grundeigenschaft aller Ökosysteme gehört zu den Grundforderungen des modernen Naturschutzes (Plachter & Reich 1995). Weideschweine haben insbesondere im Bereich des Feuchtgrünlandes über Jahrhunderte eine große Morpho- und Vegetations-dynamik bewirkt. Die extensive Freilandhaltung von Schweinen dürfte dem Naturschutz zusätzliche Möglichkeiten zum Erhalt von Lebensräumen und Standortbedingungen bieten, die ansonsten nur mit Hilfe kostenintensiver Pflege zu erbringen ist. Aber nicht nur aus Sicht des Naturschutzes ist diese Haltungsform förderwürdig, sie stellt eine artgerechte Form der Haltung dar und dürfte, da sich vor allem ältere Schweinerassen dafür eignen, auch positive Effekte für deren Erhalt haben.


Elbtalaue bei Lenzen (Foto: Herold 1997)

 

Werden Schweine im Freiland gehalten, ernähren sie sich v.a. von Gras und Kräutern. Die täglich aufgenommene Menge an Rauhfutter ist nicht unerheblich: Altsauen benötigen bis zu 18 kg pro Tag, Jungtiere bis zu 10 kg (Bogner & Grauvogel 1984). Eine obligatorische Begleiterscheinung des Weideganges von Schweinen ist das Wühlen, welches in erster Linie dem Auffinden von Knollen, Wurzeln, Käfern, Larven u.ä. dient. Diese Tätigkeit macht die Schweine zu ganz besonderen Weidetieren, da sie durch ihre Wühlaktivitäten die meist dichtwüchsige Vegetationsdecke aufreißen und auf diese Weise lichtliebende Tier- und Pflanzenarten fördern.

 


Extensiv in Koppeln gehaltene Schwerfurther in den Elbtalauen
Brandenburg (Lenzen 1996)

 

1993 wurden im Naturpark „Brandenburgische Elbtalauen“ bei Lenzen extensiv genutzte Schweinekoppeln eingerichtet, auf denen die vier Rassen Deutsches Sattelschwein, Duroc, Mangalitza und Schwerfurther gehalten werden. Die Weideflächen liegen etwa 300 Meter hinter dem Elbdeich. Überstauungen finden nur noch durch Qualmwasser oder nach starken Regenfällen statt. Die Weideperiode dauert von Mai/Juni bis November, die Besatzdichte liegt bei 5 Sauen/ha. Den Tieren stehen einfache Hütten zur Verfügung. Es wird mit einem kg/Tier und Tag zugefüttert. Die Wühlaktivität nimmt im Jahresverlauf kontinuierlich zu (vgl. Grafik 2), da die Schweine zum Herbst nach Kleinstlebewesen im Boden suchen. Micklich et al. (1996) konnten anhand von Dauerquadraten belegen, dass die Wühltätigkeiten zu einem deutlichen Anstieg der Gesamtartenzahl führten (Tab.1). Besonders markant ist der Zuwachs an Kräutern und die Förderung von Therophyten (Tab.2).

 


Tab. 1: Pflanzensoziologische Zuordnung der Pflanzenarten in
 den Probequadraten
(nach: Micklich et al. 1996).

 

 


Tab. 2: Lebensformen der Pflanzen (nach: Micklich et al. 1996).

 

 


Grafik 2: Zunahme der Wühlaktivitäten im Jahresverlauf
 (nach: Micklich et al. 1996).

 

Zwischen Zagreb und Nova Gradiska konnte sich in den Save-Auen eine Kulturlandschaft erhalten, wie sie noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in vielen mitteleuropäischen Flußauen anzutreffen war (vgl. Gugic 1996, Konold 1996). Die Allmend- oder Huteweiden liegen dort, wo aufgrund der Überflutungsdauer eine Wiesennutzung nicht mehr möglich ist. Die einzelnen Hutungen umfassen vierhundert bis tausend Hektar zusammenhängendes Grünland und werden von Kühen, Rindern, Pferden und Schweinen gemeinschaftlich genutzt (Gugic 1996). Die Schweine werden vorwiegend ganzjährig im Freien gehalten. Sie benötigen nur einfach gebaute Koben aus Holz, Heu oder Schilf, als Tränke dienen Wasserlöcher. Die autochthonen landschaftsprägenden Schweinerassen sind Wollschweine (Mangalitza, Turopolje u.a.), welche optimal an die extremen Bedingungen der Flußauen angepasst sind (Gugic 1996). 

 


Das traditionelle Vorbild: Huteweiden in den Save-Auen, Kroatien (1996)

 

Das herausragende Charakteristikum der Huteweiden sind die ausgedehnten vegetationsfreien bzw. -armen Flachwasserbereiche und Schlammflächen, die durch die Schweine offen gehalten werden und typische Pflanzengesellschaften wie die Nadelbinsenflur (Eleocharietum acicularis) aufweisen. In länger überstauten Bereichen finden sich große Bestände der Seekanne (Nyphoides peltata) und in den Randbereichen Massenvorkommen des Kleefarns (Marsilea quadrifolia). Die von den Weideschweinen intensiver beeinflussten Bereiche der Weiden weisen eine charakteristische Fauna auf. Hier finden eine Vielzahl gefährdeter Tierarten geeignete Lebensbedingungen und reichhaltige Nahrungshabitate (vgl. Grafik 1).

 


Grafik 1: Anzahl der in den verschiedenen Teillebensräumen beobachteten
 Vogelarten in der Save-Aue. Die Daten wurden in einem 1.760 km2 großen
 Untersuchungsgebiet gewonnen. Schraffiert ist der Anteil der 
europa- und weltweit gefährdeten Arten angegeben
 (aus: Schneider-Jacoby 1993, verändert).
MHW = Mittleres Hochwasser

 

 

Durch Schweine induzierte Vegetationsdynamik auf bodensauren Magerrasen im Elsaß (Treiber 1997)

Innerhalb geschlossener Waldungen des Harths im südlichen Oberrheingraben befinden sich Lichtungen mit bodensauren verbrachten und z.T. stark verfilzten Halbtrockenrasen. Im Winterhalbjahr brechen zahlreiche Wildschweine (Sus scrofa) bei der Nahrungssuche die Vegetation mehr oder weniger um. Wie Untersuchungen von Treiber (1997) zeigen bewirkt der Umbruch eine Aktivierung der Diasporenbank und durch die hohe Dynamik eine große Standortvielfalt (vgl. Tab. 3 und Grafik 3). Es findet sich ein räumliches Nebeneinander unterschiedlicher Entwicklungs- und Regenerationsphasen der Rasen und somit eine hohe Artenvielfalt. Die Wühltätigkeit selbst führt zu einer Regeneration der Magerrasen.


 

 

 

 

Tab. 3: Jungpflanzen in geschlossenen
 Rasen des Agrostio-Brometum auf
 Wildschwein-Wühlstellen
(Treiber 1997).

 

 

Grafik 3: Zyklische Vegetationsdynamik
 der Rasen unter Wildschweineinfluß
       
(aus: Treiber 1997, verändert).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Extensive Freilandhaltung von Düppeler Weideschweinen
eine Rückzüchtung des Mitte der 60er Jahre 
ausgestorbenen Deutschen Weideschweines
 (Bellersen, Kreis Höxter 1999)

 

 

 

 

Literaturverzeichnis:
Bogner, H. & A. Grauvogel (1984): Nutzungsorientierte Schutz- und Entwicklungsstrategien für die Kalkmagerrasen (Mesobromion) der Schwäbischen Alb. Landschaftspflege, Quo vadis II: S. 25-55.
Gugic, G. (1996): Die Hudewirtschaft der Sava-Auen. In: Matthes, H.-D. & H. Möhring (Hrsg.): Landschaftspflege mit Nutztieren und nachhaltige Landbewirtschaftung. 2. Lenzener Gespräche: S. 88-98, Dummersdorf.
Herold, P. (1997): Untersuchungen zur Laufkäferfauna (Coleoptera: Carabidae) von Schweineweiden im Naturpark „Brandenburgische Elbtalauen“ bei Lenzen/Elbe. Unveröff. Diplomarbeit am FB Biologie der Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Naturschutz.
Konold, W. (1996): Die Veränderung einer Flußlandschaft. Das Beispiel Obere Donau. In: Konold, W. (Hrsg.): Naturlandschaft - Kulturlandschaft. Die Veränderung der Landschaften nach Nutzbarmachung durch den Menschen. ecomed: S. 201-228, Landsberg.
Micklich, D., Matthes, H.-D. & H. Möhring (1996): Einsatz verschiedener Schweinerassen in der Landschaftspflege und ihre Wirkung auf die natürliche Sukzession. Auenreport, Beiträge aus dem Naturpark „Brandenburgische Elbtalaue“: S. 28-34, Rühstadt.
Plachter, H. & M. Reich (1995): Großflächige Schutz- und Vorrangräume: Eine neue Strategie des Naturschutzes in der Kulturlandschaft. Veröff.PAÖ 8: S.17-34.
Schneider-Jacoby, M. (1993): Vögel als Indikatoren für das ökologische Potential der Saveauen und Möglichkeiten für deren Erhaltung. Naturerbe Verlag, Überlingen.
Treiber, R. (1997): Vegetationsdynamik unter dem Einfluß des Wildschweines (Sus scrofa L.) am Beispiel bodensaurer Trockenrasen der elsässischen Harth. Z. Ökologie u. Naturschutz 6: S. 83-95.

 

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